Lieutenant Commander Amicia Georgiou drängelt sich so gut und schnell sie kann durch die überfüllten Korridore ihrer neuen, eher unfreiwilligen Heimat. Weniger als zwei Stunden sind seit der Flucht aus dem Khitomer-System vergangen, doch bereits jetzt hat sich beim Großteil der Crew eine Normalität eingespielt, viele haben die Horror der letzten Stunden bereits vergessen - oder zumindest verdrängt.
Nach etwa fünf Minuten erreicht Amicia ihr neues Quartier, in welchem bereits zwei Familien warten. Sie schließt die Türen zu "ihrem" - etwa acht Quadratmeter großen - eigenen Wohn- & Schlafbereich, setzt sich auf das Bett und nimmt ein PADD.
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Persönliches Computerlogbuch
Lieutenant Commander Amicia Georgiou
U.S.S.... ja, wie zur Hölle heißt dieses Schiff eigentlich?
Die Tür zum Schlafbereich öffnet sich und eine offensichtlich erschöpfte Lucy Tamas betritt diesen. Sie schafft es gerade noch die Türen wieder zu verriegeln, ehe sie in Tränen ausbricht. Amicia springt sofort auf, umarmt Lucy und versucht sie so gut es geht zu beruhigen:
"Ich würde ja sagen 'Alles wird gut', aber..." Amicia kann den Satz nicht beenden und kämpft angesichts all der Verluste der letzten Wochen selbst mit den Tränen. Ihre Mutter, ja ihre ganze Familie würde sie für Tränen hinrichten, eine Terranerin hatte zu wissen, dass Verluste Teil eines jeden Kampfes, eines jeden Sieges waren. Das Training im Geheimdienst hatte sein übriges dazu getan, dass Amicia quasi niemals Emotionen zuließ oder gar zeigte. Aber jetzt, wo sie in die tränenüberströmten Augen einer am Boden zerstörten Lucy Tamas sah, wirkte all das als wäre es einer anderen Amicia widerfahren.
"Amicia...so viele Personen sind gestorben. Wir wissen immer noch nicht was genau da überhaupt passiert geschweige denn haben eine Ahnung wie wir es stoppen können. Alles was wir tun können ist wegrennen, so schnell, so weit wir können. Bis wir wieder gefunden ..."
Amicia wischt Lucy' die Tränen aus den Augen und zeigt auf ihre eigenen Rankabzeichen: "Wenn eine Terranerin, die Tochter der blutrünstigen Imperatorin Philippa Georgiou, Lieutenant Commander in der Sternenflotte werden kann, dann können wir auch diese Bedrohungen zurückschlagen. Ich weiß das klingt wie leere Phrasen, ich weiß, dass Worte alleine dir nicht helfen werden, dich besser zu fühlen. Aber wir beide haben uns wieder gefunden, wir haben Admiral Erlanger geschlagen, ich habe das Terranische Imperium verlassen, Q und die Zeit selbst besiegen können...wir werden auch hierfür eine Lösung finden!"
Es dauert noch einige Minuten, aber schließlich gelingt es Amicia irgendwie Lucy - und sich selbst - zu beruhigen, sie deckt Lucy zu, welche mit den Worten "Das Schiff hat noch keinen Namen, ich schätze wir wurden noch nicht an Bord erwartet" einschläft.
"Kein Name?" murmelt Amicia leise vor sich hin.
Ich schätze, das macht Sinn. Selbst nach den optimistischsten Schätzungen hätten wir die Werft erst in frühestens zwei Wochen verlassen, Und überhaupt waren angesichts der Gesamtsituation Dinge wie Schiffsnamen oder feierliche Zeremonien zum Start eher unwichtig, teilweise unangebracht.
Und diese Gesamtsituation... sie sieht kurz zu Lucy um sicherzustellen, dass sie wirklich schläft sie ist quasi aussichtslos. Ich bin die letzte, die dieses Wort übertrieben nutzt, aber hier... wir waren geschlagen. Das würde ich der Crew gegenüber, das würde ich Lucy gegenüber niemals offen zugeben, aber wir hatten diese Schlacht bereits verloren. Es ging nur noch um eines: um's Überleben.
Und selbst das würde schwierig werden.
Dabei sah unsere Situation vor 24 Stunden gar nicht so schlecht aus: wir hatten die Station im Khitomer System gesichert, die Kolonien im System hatten weitere Siedlungen für neue Flüchtlinge geschaffen, jede Stunde kam ein weiteres Schiff in's System. Wir hatten fast 40 Allianz-Schiffe im Khitomer-System versammelt, Millionen von Zivilisten und Offizieren. Es schien als hätten wir wirklich eine Chance auf einen Wiederaufbau. Ja, die Erde, Qo'noS, Vulkan, Rator waren zerstört worden, Billiarden von Personen hatten ihre Leben verloren. Nichts und niemand würde diese zurückbringen. Aber mit genug Zeit könnten wir zumindest die Föderation, das Klingonische & Romulanische Imperium wiederaufbauen.
Der romulanische Admiral Teflon hatte von Admiral David Jackson, der die Kolonien besichtigte, das Kommando über die Station übernommen & hielt zu Beginn des Tages ein Briefing über die aktuelle Lage: der Bau unseres neuesten Prototyps schritt gut voran, Commander Corlsen sollte sich bereits direkt im Anschluss an's Briefing in die Werft beamen, um die letzte Schritte persönlich zu überwachen. Es gab keine größeren Fragen, aber die Stimmung schien minimal besser als in den letzten Tagen.
Die nächsten Stunden verliefen relativ ereignisreich, ich aktualisierte die taktischen Datenbank, las Berichte über Flüchtlingstransportrouten, seltsame Scanresultate, von kleinen Gefechten zwischen Klingonen, Tholianern, Breen, Son'a und anderen Rassen - offenbar sorgte die Panik, die Angst vor der Auslöschung bei vielen zu Kurzschlussreaktionen.
Und tatsächlich hatte es in den letzten Stunden nicht nur Allianzwelten getroffen, sondern auch andere Planeten waren ausgelöscht worden. Im Gegensatz zu anderen Krisen - Kha'ak-Krieg, Terraner-Invasion etc.- gab es dieses Mal allerdings keinerlei Versuch irgendeine Art neuer Allianz zu schmieden, im Gegenteil waren alle paranoid und vertrauten niemandem.
Dazu passte auch, dass der Barkeeper Brunt und sein "Sicherheitsteam" offenbar einen anstrengenden Gast einfach ermordet und im Anschluss beseitigt hatten. Lieutenant Hühnchen nahm zwar die Ermittlungen auf - und konnte Mr. Brunt auch "auf frischer Tat" ertappen als er mit einem Koffer samt blutigem Latinum seine Bar verlassen wollte - aber gefühlt herrschte der wilde Westen, jeder dachte nur noch an sich. Selbst Doktor Vadiye betrank sich lieber an der Bar anstatt sich um die ankommenden Verletzten zu kümmern.
Umso erfreuter war ich, als ich einen Ruf von Lucy erhielt, die "dringend meine Hilfe" auf dem Holodeck brauchte. Natürlich war mir - und wohl jedem anderen auf der OPS - bewusst, welche Art von "Hilfe" sie von mir erwartete, aber es hatte auch seine Vorteile, wenn die meisten Regeln gefühlt ausgesetzt waren. Lucy hatte ein Holodeckprogramm namens "Garten der Stille" geladen, aber "still" war es nach unserem Besuch des Sees nicht lange Computer, den letzten Satz löschen. Jedenfalls war es beruhigend und tat gut, ein wenig zu "entkommen", ein wenig vergessen zu können was dort draußen gerade vor sich ging. Dennoch war es ungewohnt wirklich zu schwimmen, etwas das im terranischen Imperium als "Zeitverschwendung" abgetan worden wäre.
Es waren die schönsten Minuten meines Tages - nicht nur dank Lucy - aber natürlich sollte das nicht lange anhalten, denn plötzlich wurde Alarm ausgelöst. Auf der OPS angekommen sahen wir auch schon das Problem: in weniger als neun Stunden wollten eine Subraumwelle unbekannter Art das Khitomer-System erreichen, die selbe Art von Welle, die bereits das Sol-System innerhalb von Minuten hatte wortwörtlich verschwinden lassen.
Admiral Teflon befahl sofort allen Schiffen mit Evakuierungen zu starten und auch Jaesa sowie Captain Paris hatten ähnliches im Sinn. Wir standen nun allerdings vor einer unmöglichen Aufgabe: alle Schiffe im System, selbst wenn wir Shuttles, Fähren, Runabouts etc. mitzählten, hatten eine maximale Kapazität von vielleicht 60.000 Personen. Alleine Khitomer Prime hatte - vor der Ankunft der Flüchtlinge - fast 500 Millionen Bewohner.
Wie konnten wir entscheiden wen wir retten und wen wir sterben lassen würden? Wer würde so eine Entscheidung auf sich nehmen wollen? Es entstanden rege Diskussionen - Diskussionen in welchen der Romulaner bemerkenswerter Weise nicht ein Wort mehr sagte, als ihm bewusst wurde, dass in wenigen Stunden Millionen vor allem Romulaner sterben würden.
Es mag meine Vergangenheit sein, manche würden sagen meine DNA, aber schließlich war es als hätte jemand einen Schalter umgelegt und ich übernahm die Situation: wir würden in jeder Kolonie einen zentralen Ort einrichten, an welchem sich "essenzielles Personal" - Mediziner, Wissenschaftler, Ingenieure - einfinden sollten. Personen die wir brauchen würden, wenn wir jemals eine Verteidigung gegen diese Welle entwickelt sollten. Dieser Aufruf wurde dann über alle Kanäle verbreitet und wie erwartet führte das zu Panik, Wut, Protesten - unter Anderem auch auf der Promenade der Station.
Zur großen Verwunderung fast aller an Bord jedoch hielten sich die Proteste in Grenzen und in vielen Kolonien wurden tatsächlich nur wenige Personen an die zentrale Sammelplätze geschickt. Captain Paris entscheid dann, dass jeder sich von seinen Familien begleiten lassen dürfte. Als Offizierin konnte ich das nicht gutheißen - diese Plätze würden später fehlen - als Person mit Emotionen verstand ich, dass ich es hier nie eine Alternative gegeben hatte. Die wenigstens würden freiwillig ihre Familie zurücklassen und zwingen würden wir keinen - nichts, dass wir dazu überhaupt die Mittel hätten.
Lieutenant Hühnchen kam nach wenigen Minuten mit einem leeren Photonenlancer zurück auf die OPS, zumindest hatten sich die Proteste an Bord wieder beruhigt - auch wenn ich schätze, dass wir nun einige freie Plätze mehr hatten.
Drei Stunden vor Ankunft der Schockwelle begann die Station zu erbeben, mehrere Systeme fielen aus, was zu weiterer Panik führte. Wir konnten die Trägheitsdämpfer zwar schließlich anpassen, auf der Oberfläche allerdings hatten Vulkanausbrüche, Erdbeben und Tsunamis begonnen. Captain Paris fragte ob wir helfen könnten und vielleicht hätten wir das gekonnt, aber.. wozu? So kalt das klang, in wenigen Stunden waren diese Personen tot, egal was wir jetzt taten. Umso wichtiger, dass wir alle Energie in die Fertigstellung unseres Prototypen steckten.
Unser "friendly" Starborn hatte sich inzwischen dauerhaft Commander Corlsen's Team angeschlossen und etwa 30 Minuten bevor die ankommende Welle den Warpflug im System unmöglich machte war das Schiff warpfähig. Es war nicht fertig, bei weitem nicht, aber es hatte einen funktionierenden Warpantrieb und eine Hülle, diesem standhalten würde.
Nachdem die letzten Schiffe das System verlassen hatten - die U.S.S. Kyushu war sogar noch zur Unterstützung in's System gekommen - beamten die Führungsoffiziere, Admiral Teflon und eine Hand voll weiterer Khitomer Station Offiziere auf das neue Schiffe.
Dieser Prototyp war beeindruckend, da gab es keine Frage. Allerdings blieb kaum Zeit diesen ausreichend zu bestaunen, also eilten wir so schnell es ging zur Brücke, nahmen unsere Stationen ein und sprangen auf Warp. Einzelne Shuttles und improvisierte Fähren der Kolonien starteten noch nach, aber wenig später wurde das Khitomer-System ausgelöscht.
Weitere Millionen Tote, eine hochentwickelte Station... und unsere Moral. Es gab viele Verluste zu beklagen. Lieutenant Hühnchen hatte sich selbst angeschossen, nachdem Jaesa erwähnt hatte, dass Admiral Nechayev von ihm enttäuscht wäre - die Nerven lagen überall blank.
Als wäre all das nicht schlimm genug fehlte auch noch jede Spur von Brunt's mysteriöser Mitarbeiterin, die den betrunkenen Klingonen in der Bar ermordet hatte.
58.954 Personen konnten wir retten, insgesamt 39 Föderations-, romulanische und klingonische Schiffe sind für den Moment Teil unseres Konvois, dazu einige Shuttles, Runabouts und kleinere Schiffe. Wir haben Kurs auf einen Sammelpunkt nahe der klingonisch-romulanischen Grenze gesetzt, an welchem bereits weitere Schiffe auf uns warten sollen.
Und dann werden wir Entscheidungen treffen müssen. Keines unserer Schiffe ist für den dauerhaften Transport so vieler Personen ausgerüstet, bereits jetzt arbeiten die Umweltsysteme auf 150 %. Auf einem brandneuen Schiff wie diesem mag das funktionieren, aber viele Schiffe in dieser Flotte sind 70, 80 oder 100 Jahre alt und nie für solche Zwecke konzipiert worden.
Was würden wir mit den geretteten Personen machen? Eine neue Kolonie finden, nur damit diese dann ebenfalls vernichtet wird? Einen Teil zurücklassen? Egal wie schrecklich der heutige Tag gewesen sein mag, ich habe das Gefühl die nächsten Wochen werden nicht besser - nicht, bis wir eine Lösung gefunden haben diese Welle da draußen zu stoppen.
=/\= Log Ende.